Shiela Birungi
“Startups bauen Afrikas Mittelschicht auf”

Unternehmertum und Innovation werden die würdigen Arbeitsplätze der Zukunft schaffen, die historisch gesehen der Regierung oder Unternehmen vorbehalten waren. Trotz der Disruption durch KI werden technologiegestützte Geschäftsmodelle in arbeitsintensiven Sektoren die Arbeitsplätze der Zukunft schaffen.
Shiela Birungi, du investierst in Unternehmen, die du als „Jobmotoren“ bezeichst. Was ist das?
Ein Jobmotor ist ein System, das durch sein Wachstum und seine Skalierung Arbeitsplätze schafft – aber die eigentliche Frage lautet: Welche Art von Arbeitsplätzen? Der Secondhand-Kleidermarkt Gikomba in Nairobi ist einer der größten: Von Sortierern über Verkäufer bis hin zu Instagram-Unternehmern schafft dieses Ökosystem Tausende von Arbeitsplätzen. In der jüngeren Vergangenheit haben Technologie und digitale Kanäle die Schaffung von Arbeitsplätzen verstärkt, aber der Vormarsch der KI birgt die Gefahr, das Gegenteil zu bewirken: Alles, was nicht handwerklich ist oder anderweitig menschliche Kreativität und Einfallsreichtum erfordert, wird durch Technologie ersetzt.
Welche Sektoren werden in Zukunft die meisten Arbeitsplätze schaffen?
Die digitale und kreative Wirtschaft ist ein schnell wachsender Sektor, der Arbeitsplätze schafft, insbesondere für junge Menschen – Content-Ersteller, virtuelle Assistenten, Designer und freiberufliche Techniker arbeiten heute von afrikanischen Städten aus für globale Märkte. Auch die grüne und Kreislaufwirtschaft ist im Aufschwung, da Investitionen in saubere Energie, Abfallrecycling und klimafreundliche Landwirtschaft fließen.
Die afrikanischen Volkswirtschaften sind nach wie vor überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Welches Beispiel beeindruckt dich besonders?
Twiga hat damit angefangen, Landwirte direkt mit dem Markt zu verbinden und dadurch Arbeitsplätze auf allen Ebenen geschaffen. Gleichzeitig hat es die Rentabilität der Bauern verbessert – mehr Landarbeiter auf der Angebotsseite, Logistikfahrer in der Mitte und Verkäufer, Lebensmittelverarbeiter und Einzelhändler am Ende der Kette. Heute hat das Unternehmen eigene Farmen und beschäftigt Agronomen und Bewässerungsspezialisten.
Ein anderes Beispiel ist unser Portfoliounternehmen Irrihub: sie machen Kleinbauern selbst zu Arbeitgebern und schaffen gleichzeitig Möglichkeiten entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette – von Vertriebsmitarbeitern und Technikern bis hin zu Agronomen und Einzelhändlern für Betriebsmittel. Dies ist ein schönes Beispiel dafür, wie Technologie und Aggregation die Landwirtschaft sowohl produktiv machen als auch Arbeitsplätze schaffen können.
Du hast sowohl in Europa als auch in Afrika gelebt und gearbeitet. Wie unterscheiden sich Jobs auf den beiden Kontinenten?
In Europa garantiert ein Arbeitsplatz in der Regel einen angemessenen Lebensstandard, Sozialleistungen und verfügbares Einkommen – er ist mit Stabilität und Lebensstil verbunden. In weiten Teilen Afrikas ist ein Arbeitsplatz in erster Linie ein Mittel zum Überleben. Selbst wenn man nur ein paar Dollar am Tag verdient, gilt das als Beschäftigung, während dies im Westen unterhalb der gesetzlichen oder ethischen Schwelle liegen würde.
Der tiefere Unterschied ist ein struktureller: In Europa sind Arbeitsplätze Teil einer ausgereiften, regulierten Wirtschaft; in Afrika ist Arbeit oft informell, ungeschützt und entsteht aus der Not heraus. Das Wort „Arbeit“ ist zwar universell, aber seine Bedeutung – und die Würde, die es mit sich bringt – ist kontextspezifisch.
Wie sieht ein würdevoller Arbeitsplatz aus?
Ein würdevoller Arbeitsplatz zahlt genug, um Ersparnisse aufzubauen, sich Gesundheitsversorgung und Bildung leisten zu können und zur Gesamtwirtschaft beizutragen – nicht nur um zu überleben.
Hast du die Hoffnung, dass es davon genug geben wird?
Ja, weil Unternehmertum und Innovation die Schaffung von Arbeitsplätzen vorantreiben und katalysieren. Vor fünf Jahren war das noch Aufgabe der Regierung, der UNO oder großer Unternehmen. Heute schaffen der Privatsektor und Start-ups die die würdevollen Jobs der Zukunft. Die Mittelschicht wächst aufgrund des Unternehmertums.
Interview by Till Wahnbaeck
November 15, 2025
About

Shiela Birungi
Shiela Birungi
Shiela Birungi ist Head of Ventures bei Impacc und verantwortlich für die Auswahl und Unterstützung afrikanischer Startups. Sie ist Bauingenieurin und hat über ein Jahrzehnt Erfahrung im Startup-Umfeld in Großbritannien, Uganda, Sambia und Kenia. Vor ihrer Zeit bei Impacc leitete sie Inkubatoren sowie Venture Building- und Finanzierungsprogramme.
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